The Secret Agent

Marcelo, ein Akademiker Mitte 40, ist 1977 auf der Flucht. Er kommt während der Karnevalswoche in Recife an, um seinen Sohn wiederzusehen, und findet dank eines solidarischen Netzwerks Unterschlupf im Untergrund. Mit Liebe zum Detail, eigenwilligen Figuren und feinsinnigem Humor zeichnet Kleber Mendonça Filho (Aquarius) ein stilisiertes Stimmungsbild der letzten Jahre der Diktatur und entwickelt daraus einen phänomenalen Politthriller. Narcos-Star Wagner Moura brilliert in der Hauptrolle, für die er in Cannes mit dem Preis für den Besten Darsteller ausgezeichnet wurde, während Kleber Mendonça Filho den Preis für die Beste Regie entgegennahm. Gleich zwei Hauptpreise für einen Film: Eine Seltenheit.

Mit Geduld und Sorgfalt entspinnt Kleber Mendonça Filho ein Geflecht aus Figuren, die vordergründig ihren alltäglichen Tätigkeiten nachgehen, während sie um ihr Leben bangen. Der atmosphärisch ungemein dichte Sozialthriller enthüllt ein überraschendes Unterstützungsnetzwerk im Untergrund, das während der Diktatur funktionierte, als Menschenleben als entbehrlich galten. Der Film ist auch ein Schaugenuss, hervorragend gespielt und fotografiert. Der gefeierte Schauspieler Wagner Moura kehrt nach mehreren Jahren in US-amerikanischen Produktionen (darunter seine Paraderolle als Pablo Escobar in der Serie «Narcos») ins heimische Filmschaffen zurück. Neben ihm überzeugen auch die Nebenrollen, nicht zuletzt dank eines pointierten Drehbuchs mit viel Witz und Biss, in dem Kleber Mendonça Filho sein Gespür für aussergewöhnliche Figuren beweist. Mit jedem weiteren Film vertieft der brasilianische Regisseur seine kritische Analyse der Machtstrukturen und sozialen Ungleichheiten, die sein Land spalten.

The Secret Agent pflegt mehrere Genres und ist auch Epochenfilm: Musik, Dekor und Kameraführung bestechen im Look der 1970er-Jahre; die lebendige Kulisse, deren buntes Treiben dem Film viel Dynamik verleiht, kontrastiert mit dem Ernst der Handlung. Pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum erweist der brasilianische Filmemacher einem Filmklassiker die Referenz: Jaws – Der weisse Hai geniesst gerade eine Rückkehr ins Kino von Marcelos Schwiegervater und beflügelt die Träume und Albträume seines Sohns. Mendonça Filho verwebt das Stück Filmgeschichte klug mit der echten urbanen Legende um ein haariges Bein und einem Korruptions-Fiasko. Ein brillantes Werk mit liebevollen Referenzen an die Zeit und die Filmgeschichte. Der britische Guardian frohlockt mit fünf Sternen: «Dieser Film, der in jeder Hinsicht visuell und dramatisch hervorragend ist, bewegt sich mit gelassener Selbstsicherheit über die Leinwand und hält inne, um jedes bizarre Stück Komik oder erotische Nebenhandlung oder jede pathetische Note auf seinem verschlungenen Weg zum Finale zu geniessen: eine Bühne für Mouras komplexe, sympathische Darstellung – aber auch die Plattform für einige spannende, bravouröse Filmkunst.»